Hans Küng - Stellungnahme zur Religionskritik
Hans Küng (*1928) setzte sich kritisch mit der Religionskritik auseinander.
Gilt die moderne Religionskritik noch?
Feuerbach
Pro
- Der Glaube an Gott kann den Menschen von sich selber entfremden lassen
Kontra
- Das Gott nur Projektion ist, wurde von Feuerbach nie bewiesen (auch ein Liebender projiziert auf die existente Geliebte)
- Viele Menschen sehen Gott gerade als Grund für ihre Freiheit und Mündigkeit (z. B. Freiheit durch die Rechtfertigung durch Gott)
- Auch der gottlose Humanismus hatte inhumane Folgen (Weltkriege, Holocaust, Atombombe)
Marx
Pro
- Gott als Garant für Freiheit und Mündigkeit mag zwar in westlichen Wohlstandsgesellschaften gelten, die Situation in beispielsweise Lateinamerika lässt sich aber durch Marx analysieren
- Bei den unmenschlichen Verhältnissen in Lateinamerika ist nicht zu bestreiten, dass der Gott der Christen vielfach der Gott der Herrschenden war → Jenseitsvertröstung, ,,Schmücken der Ketten mit Blumen, anstatt sie zu zerbrechen“
Kontra
- Abschaffung des Privateigentums und Sozialisierung von Industrie, Landwirtschaft, Erziehung und Kultur führen zu Ausbeutung und Zerstörung der Moral, nicht aber global dem Absterben der Religion
- Die Revolution war das Opium des Volkes
- Religion kann auch Katalysator der sozialen Befreiung sein
Freud
Pro
- Freud kritisierte zu Recht Machtarroganz und Machtmissbrauch der Kirchen, Selbsttäuschungen, Fluchtversuche und Verdrängung der Sexualität
- Die Religion wurde zur Disziplinierung von Kindern mit langfristig schlechten Folgen missbraucht
Kontra
- Allerdings liegt bei ihm das traditionelle autoritäre Gottesbild zugrunde
- Nicht nur Sexualität sondern auch Religiosität kann verdrängt werden
- Die Wünsche, welche Freud zufolge die Stärke der Religion ausmachen, sollten nicht als Illusionen abqualifiziert werden
- Gottesglaube kann zu Sinnfindung in Leben und Sterben verhelfen
- Ethische Maßstäbe, geistige Heimat
- Positiver psychischer Effekt
Küngs Zusammenfassung
Der Gottesglaube war und ist gewiss oft autoritär, tyrannisch und reaktionär. Er kann Angst, Unreife, Engstirnigkeit, Intoleranz, Ungerechtigkeit, Frustration und soziale Abstinenz produzieren, kann geradezu Unmoral, gesellschaftliche Missstände und Kriege in einem Volk oder zwischen Völkern legitimieren und inspirieren. Aber:
Der Gottesglaube konnte sich gerade in den letzten Jahrzehnten wieder zunehmend als befreiend, zukunftsorientiert und menschenfreundlich erweisen: Gottesglaube kann Lebensvertrauen, Reife, Weitherzigkeit, Toleranz, Solidarität, kreatives und soziales Engagement verbreiten, kann geistige Erneuerung, gesellschaftliche Reformen und den Weltfrieden fördern."
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